Das Neue Schweizer Rechnungslegungsrecht

18. September 2014

Das neue Rechnungslegungsrecht hat Auswirkungen auf den Kontenplan, die Bewertungsrichtlinien, die jährliche Berichterstattung an die Aktionäre sowie die Steuerplanung und Dividendenpolitik. Eine Analyse lohnt sich und die Umsetzung sollte nach Möglichkeit vor Ende 2014 abgeschlossen sein. pmw consulting unterstützt die Geschäftsleitung und Finanzabteilung bei der Analyse, Erarbeitung und Umsetzung. Für ein unverbindliches Beratungsgespräch stehe ich Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.

Ab 1.1.2015 muss das neue Rechnungslegungsrecht von allen Schweizer Unternehmen und Organisationen, unabhängig von ihrer Rechtsform, ab einem Umsatz von CHF 500‘000 beim Einzelabschluss nach Obligationenrecht umgesetzt werden. Folgende Änderungen sind zu beachten:

  • Rechtsformunabhängige Rechnungslegung
  • Neue Gliederungsvorschriften für Bilanz, Erfolgsrechnung und Anhang
  • Neue Bewertungsvorschriften: Einzelbewertung explizit im Gesetz verankert
  • Ausweitung der Rechnungslegung und Berichterstattung für grössere Unternehmen
  • Ausweitung der Rechte von Minderheitsbeteiligten bezüglich Berichterstattung
  • Steuerliches Massgeblichkeitsprinzip wird nicht tangiert

Der nachfolgende Leitfaden für die Umstellung und Praxis gibt Ihnen einen umfassenden Überblick über die wichtigsten Neuerungen und kann auch im PDF-Format ausgedruckt oder heruntergeladen werden.

Leitfaden für die Umstellung und Praxis
Das neue Rechnungslegungsrecht, welches seit 2013 in Kraft ist, ist zwingend für Geschäftsjahre beginnend ab 1.1.2015 von allen Unternehmen mit Buchführungs- und Rechnungslegungspflicht in der Schweiz anzuwenden, wobei:

  • Der Begriff des Unternehmens sowohl Einzelunternehmen und Personengesellschaften als auch juristische Personen des Obligationenrechts (AG, GmbH, Genossenschaft) und des Zivilgesetzbuches (Verein und Stiftung) und Nonprofit-Organisationen umfasst.
  • Einzelunternehmen und Personengesellschaften mit einem Jahresumsatz von weniger als CHF 500‘000 sowie Vereine und Stiftungen ohne Pflicht zur Eintragung im Handelsregister und Stiftungen, die von der Pflicht zur Bezeichnung einer Revisionsstelle befreit sind, lediglich über die Einnahmen und Ausgaben sowie über die Vermögenslage Buchführen müssen (sog. Einfache Buchhaltung oder „Milchbüchlein-Rechnung“).

Die Grundsätze ordnungsmässiger Buchführung sind neu im Gesetz verankert. Die Grundsätze und Grundlagen der Rechnungslegung sind weitgehend unverändert. Eine wesentliche Neuerung ist die Möglichkeit, die Buchhaltung und Jahresrechnung in der für die Geschäftstätigkeit wesentlichen Währung zu erstellen. Die Jahresrechnung muss in diesem Fall aber zusätzlich in CHF dargestellt werden. Ferner kann die Buchführung und Jahresrechnung abweichend von der jeweiligen Landessprache in Englisch erfolgen.

Die Bilanzierungs- und Gliederungsvorschriften für die Jahresrechnung sind präzisiert worden:

  • Das neue Recht verlangt eine strikte Einhaltung der Darstellung, Mindestgliederung und Reihenfolge von Positionen in den Aktiven und Passiven sowie der Erfolgsrechnung.
  • Der Begriff Aktiven wird im Gesetz explizit definiert und eine Abgrenzung von Umlauf- und Anlagevermögen festgehalten.
  • Der Begriff Verbindlichkeiten wird im neuen Rechnungslegungsrecht explizit definiert und eine klare Abgrenzung von kurz- und langfristigen Verbindlichkeiten festgehalten.
  • Im Umlaufvermögen sind neu auch nicht fakturierte Dienstleistungen zu aktivieren. Gründungs-, Kapitalerhöhungs- und Organisationskosten können hingegen nicht mehr aktiviert werden.
  • Das Gesetz verlangt neu den gesonderten Ausweis von Forderung und Verbindlichkeiten nicht nur gegenüber direkt oder indirekt Beteiligten sowie Unternehmen, an denen direkt oder indirekt eine Beteiligung besteht, sondern auch gegenüber Organen.
  • Eine weitere Neuerung betrifft den Ausweis von eigenen Kapitalanteilen: Diese müssen neu als Minusposten innerhalb des Eigenkapital ausgewiesen werden.
  • Neu müssen nebst ausserordentlichen auch einmalige und periodenfremde Aufwände und Erträge separat ausgewiesen werden. Ihnen kommt insbesondere bei der Bildung und Auflösung von stillen Reserven eine grössere Bedeutung zu. Im Weiteren wird der Ausweis der direkten Steuern als separate Position gefordert. Demgegenüber entfällt der gesonderte Ausweis von Gewinnen aus der Veräusserung von Anlagevermögen.
  • Mit dem neuen Recht wurden die Offenlegungspflichten für Beteiligungen verschärft und einige zusätzliche Angaben zum Mindestinhalt des Anhangs hinzugefügt: Neben Angaben wie den angewandten Grundsätzen für die Abschlusserstellung oder den Erläuterungen zu Bilanz- und Erfolgsrechnungspositionen müssen auch Eventualverbindlichkeiten, Ereignisse nach dem Bilanzstichtag und Mitarbeiterbeteiligungsprogramme im Anhang dargelegt werden. Andererseits sind bisherige Angaben nicht mehr zwingend offenlegungspflichtig wie Brandversicherungswerte oder Aufwertungen oder Kapitalerhöhungen. Im Weiteren ist die Durchführung einer Risikobeurteilung nur noch für grössere Unternehmen im Lagebericht zu adressieren.
  • Der Lagebericht gibt anhand eines vorgeschriebenen Mindestinhaltes über den Geschäftsverlauf und die wirtschaftliche Lage Aufschluss und ersetzt den unter bisherigem Recht vorgeschriebenen Jahresbericht. Der Lagebericht muss nur von Unternehmen erstellt werden, die den Anforderungen für grössere Unternehmen unterliegen.

Erstmals sind im neuen Rechnungslegungsrecht Grundsätze für die Bewertung gesetzlich verankert. Die Hauptunterschiede zum bisherigen Recht betreffen:

  • Den Grundsatz der Einzelbewertung, wonach Aktiven und Verbindlichkeiten in der Regel einzeln zu bewerten sind, sofern sie wesentlich sind und aufgrund ihrer Gleichartigkeit für die Bewertung nicht üblicherweise als Gruppe zusammengefasst werden. Dies kann insbesondere Auswirkungen auf den Ausweis von Bildungen und Auflösungen von stillen Reserven in der Erfolgsrechnung haben.
  • Aktiven mit Börsenkurs oder einem anderen beobachtbaren Marktpreis in einem aktiven Markt können nach neuem Recht in der Folgebewertung zum Kurs oder Marktpreis am Bilanzstichtag bewertet werden, auch wenn dieser über dem Nennwert oder dem Anschaffungswert liegt. Dies war bisher nur Wertschriften des Umlaufvermögens mit Kurswert zulässig. Wer vom neuen Wahlrecht Gebrauch macht, muss alle Aktiven der entsprechenden Positionen der Bilanz, die einen beobachtbaren Marktpreis aufweisen, zum Kurs oder Marktpreis am Bilanzstichtag bewerten. Im Anhang muss auf diese Bewertung hingewiesen werden. Das Gesetz erlaubt überdies die Einrichtung einer Schwankungsreserve für künftige Wertschwankungen. Der Betrag der Schwankungsreserven ist insgesamt in der Bilanz oder im Anhang gesondert auszuweisen. Solche Wertberichtigungen sind jedoch nicht zulässig, wenn dadurch sowohl der Anschaffungswert als auch der tiefere Kurswert unterschritten würde.
  • Mit dem neuen Rechnungslegungsrecht wurden Ansätze Richtung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslag (True & Fair View) gemacht. Am Vorsichtsprinzip wurde jedoch festgehalten und stille Reserven sind weiterhin im Rahmen der Grundsätze ordnungsmässiger Buchführung erlaubt. Dies zeigt sich insbesondere in den Bestimmungen zu Abschreibungen, Wertberichtigungen und Rückstellungen. Diese können zu Wiederbeschaffungszwecken oder für die Sicherung des dauernden Gedeihens des Unternehmens gebildet werden und müssen auch nicht aufgelöst werden, wenn sie nicht mehr gebraucht werden.

Das neue Rechnungslegungsrecht enthält unterschiedliche Anforderungen an die Bestandteile des Geschäftsberichts, abhängig unter anderem von der Grösse der Unternehmen. Die Bestimmungen für grössere Unternehmen verlangen neu eine Geldflussrechnung und zusätzliche Angaben im Anhang der Jahresrechnung sowie einen Lagebericht. Für juristische Personen, welche nicht den Anforderungen für grössere Unternehmen unterliegen, entfällt die Pflicht zur Erstellung eines Jahresberichts. Die Jahresrechnungen von Einzelunternehmen und Personengesellschaften müssen nicht zwingend einen Anhang enthalten.

Ferner wurde das Konzept der Abschlusserstellung nach einem anerkannten Standard verankert. Die Verordnung des Bundesrates vom 21. November 2012 über die ankerkannten Standards zur Rechnungslegung (VASR) bezeichnet die folgenden Regelwerke als anerkannte Standards: IFRS; IFRS für KMU, Swiss GAAP FER, US GAAP und IPSAS. Die Rechnungslegungsvorschriften der FINMA für Banken und Effektenhändler sowie für kollektive Kapitalanlagen sind den anerkannten Standards zur Rechnungslegung gleichgestellt. Der Abschluss nach anerkanntem Standard wird zusätzlich zur Jahresrechnung nach den allgemeinen Bestimmungen des OR aufgestellt. Das neue Rechnungslegungsrecht räumt den Minderheitsbeteiligten mehr Rechte ein, da sie einen zusätzlichen Abschluss nach einem anerkannten Standard zur Rechnungslegung verlangen können. Dieses Recht steht qualifizierten Minderheiten zu, die mindestens 20% des Grundkapitals, 10% der Genossenschafter oder 20% der Vereinsmitglieder vertreten, sowie jedem Gesellschafter oder Mitglied mit persönlicher Haftung oder Nachschusspflicht – und zwar unabhängig von der Grösse des jeweiligen Unternehmens.

Die Pflicht zur Erstellung einer Konzernrechnung ist rechtsformunabhängig geregelt und betrifft somit auch Stiftungen, Vereine und Genossenschaften. Nach bisherigem Recht mussten nur diejenigen Unternehmen eine Konzernrechnung erstellen, welche dazu verpflichtet waren, die aktienrechtlichen Bestimmungen zur Rechnungslegung einzuhalten. Das Kontrollprinzip ist für die Bestimmung der Konsolidierungspflicht und den Konsolidierungskreis neu im Gesetz verankert und definiert. Der Gesetzgeber hat sich damit vom Prinzip der tatsächlichen Ausübung einer einheitlichen Leitung verabschiedet, da dies schwierig nachzuweisen ist. Wird die Konzernrechnung nach einem anerkannten Standard zur Rechnungslegung erstellt, folgt der Kreis der zu konsolidierenden Unternehmen dessen Bestimmungen. Die Bestimmungen zur Konzernrechnungslegung finden erstmals Anwendung auf Geschäftsjahre beginnend am oder nach dem 1. Januar 2016. Eine freiwillige frühere Anwendung ist möglich.

Die Übergangsbestimmungen erwähnen explizit, dass bei erstmaliger Anwendung der Vorschriften des neuen Rechnungslegungsrechts auf die Nennung der Vorjahreszahlen verzichtet werden kann. Werden die Zahlen des Vorjahres genannt, so kann auf die Stetigkeit der Darstellung und Gliederung verzichtet werden. Im Anhang ist auf diesen Umstand hinzuweisen. pmw consulting gmbh empfiehlt erstere Variante des Verzichts auf Nennung der Vorjahreszahlen.

Auswirkungen auf die Steuern
Der Wille des Gesetzgebers war es, das bisherige Recht zu modernisieren und präzisieren. Die Steuerneutralität war sowohl dem Bundesrat als dem Parlament wichtig und konnte grundsätzlich eingehalten werden. Für die Steuern gilt unverändert das Massgeblichkeitsprinzip, wonach die Jahresrechnung nach OR für die Grundlage für die Erhebung der Steuern bildet. Ein allfälliger Abschluss nach anerkanntem Standard bildet nicht Grundlage für die steuerbare Gewinnermittlung. Die Veranlagungspraxis wird durch die Einführung des neuen Rechnungslegungsrechts insbesondere bei folgenden Punkten tangiert.

  • Einzelunternehmen und Personengesellschaften mit einem Umsatzerlös von mindestens CHF 500‘000 im vorangegangen Geschäftsjahr unterliegen der Pflicht zur Buchführung und Rechnungslegung. Darunter fallen neu auch Selbständigerwerbende, die einen freien Beruf ausüben. In Bezug auf die Buchführungspflicht von juristischen Personen ändert sich nichts.
  • Für Beteiligungen und Liegenschaften gilt neu die Einzelbewertung.
  • Muss die Bewertung auf Veräusserungswerte umgestellt werden, so ist diese Neubewertung aufgrund des Massgeblichkeitsprinzips steuerwirksam. Handelsrechtswidrig unterlassenen Neubewertungen sind im Rahmen einer steuerlichen Bilanzberichtigung zu korrigieren.
  • Die Aktivierungspflicht von bisher nicht bilanzierten Nicht fakturierten Dienstleistungen sowie allfällige Gewinne aus der Neubewertung von Aktiven (Einzelbewertung, Stichtags-/resp. Marktbewertung) führen zu steuerlich realisierten Gewinnen im Zeitpunkt der Erstanwendung.
  • Gründungs-, Kapitalerhöhungs- und Organisationskosten sind nicht mehr aktivierbar. Steuerlich bilden sie sowie allfällig handelsrechtlich notwendige ausserordentliche Abschreibungen bestehender aktivierter Kosten im Zeitpunkt der Erstanwendung geschäftsmässig begründeten Aufwand.
  • Die Bildung von Schwankungsreserven gilt bei sämtlichen Unternehmen im Rahmen der üblichen Kursschwankungen als geschäftsmässig begründet.
  • Beim Ausweis von eigenen Kapitalanteilen als Minusposten im Eigenkapital handelt es sich um eine steuerneutrale Änderung der Darstellung. Sofern Kursverluste auf eigenen Kapitalanteilen handelsrechtlich verbucht wurden, gelten sie steuerrechtlich wie bisher als geschäftsmässig begründeter Aufwand. Allfällige Kursgewinne sind im Zeitpunkt der der handelsrechtlichen Verbuchung steuerbar.